Letzte Chance Immuntherapie

Alles fing mit Rücken­schmerzen an − dann erhält Jaqueline (44) eine Schock-Diagnose

Video von RTL Hessen vom 23. August 2024 von Larissa Pitzen und Johanna Nies

Dr. med. Gero Moog, Chefarzt der Klinik für Gastro­en­te­ro­logie und Hepato­logie im Marienkrankenhaus Kassel, ist der behan­delnde Arzt von Jaqueline Huseljic.


Sie hat nur noch eine Chance!

Jaqueline Huseljic kämpft gegen Bauch­spei­chel­drü­sen­krebs. Trotz Chemo­the­rapie kann sie den Krebs bis heute nicht besiegen. Ihre letzte Hoffnung: eine spezielle Immuntherapie.

Alles fängt mit Rücken­schmerzen an

Mit einem Lächeln im Gesicht blättert Jaqueline in einem ihrer Fotoalben. Neben ihr sitzt ihr Ehemann. Als sie vor mehr als 25 Jahren ein Paar werden, ahnen sie noch nichts von ihrem bevor­ste­henden Schicksal.

Im vergan­genen Jahr klagt Jaqueline über anhal­tende Rücken­schmerzen. Als sie ihre Beschwerden nicht loswird, ordnet ein Arzt ein CT an. Ein Tumor wird entdeckt. Schock­dia­gnose Bauch­spei­chel­drü­sen­krebs! Kurz unter­zieht sie sich einer Chemo­the­rapie. Seitdem ist ihr Leben nicht mehr dasselbe: „Ich kann keine weiten Strecken laufen. Nach einer Runde ums Haus bin ich schon fix und fertig“, sagt sie im RTL-Interview.

Immun­the­rapie verspricht Hoffnung

Jaqueline geht es während der Chemo immer schlechter: „Ich konnte quasi nichts essen.“ Sie nimmt 20 Kilo ab, kolla­biert sogar zweimal. Für sie steht fest: Eine zweite Chemo­the­rapie hält sie nicht durch. Als der Tumor entfernt wird, gibt es einen Hoffnungs­schimmer. Die Art von Tumor, den Jaqueline hat, kann mithilfe einer Immun­the­rapie behandelt werden.

„Obwohl so eine schwere Operation, die neun Stunden gedauert hat und diese ganzen Kompli­ka­tionen drumherum: Da gehst du trotzdem raus und lächelst. Also, das ist der Wahnsinn, was das für ein Gefühl ist“, sagt ihr Ehemann. Doch die Freude bleibt nur kurz: Die Kosten­über­nahme der kostspie­ligen Immun­the­rapie wird von der Kasse abgelehnt. „Damit ist mir meine Welt dann auch zusam­men­ge­brochen“, sagt die 44-Jährige.

Dann die Wende

Die Familie gibt nicht auf. Und tatsächlich! Auf RTL-Anfrage teilt die Kranken­kasse mit: „Aufgrund der Dring­lichkeit haben wir (…) intern eine ausführ­liche Auswertung der mit dem Wider­spruch einge­reichten Unter­lagen vorge­nommen und daraufhin in diesem Einzelfall entschieden, die Kosten für das Medikament (…) wie ärztlich empfohlen für zunächst 12 Wochen zu übernehmen.“

Eine enorme Erleich­terung für die Familie, denn ein Jahr Immun­the­rapie kostet rund 100.000 Euro. Umso glück­licher ist sie nun. Denn so kann Jaqueline ihr Fotoalbum hoffentlich noch mit vielen weiteren gemein­samen Erinne­rungen füttern.

Hier der Link zum Video: https://www.rtl.de/rtl-hessen/letzte-chance-immuntherapie-jaqueline-44-kaempft-gegen-bauchspeicheldruesenkrebs-id1784199.html


HNA-Artikel, Mittwoch, 28. August 2024, Hessische Allge­meine (Kassel-Mitte) / Kassel, von Claudia Feser:

https://www.hna.de/kassel/es-gibt-wieder-licht-krebspatientin-aus-kassel-bekommt-therapie-93265034.html

Ein Glücksfall für die Patientin

Immun­the­rapie hat begonnen – Kranken­kasse zahlt die ersten vier Sitzungen

Kassel – Das Schicksal von Jaqueline Huseljic hat viele Leser bewegt: Die Mutter dreier Kinder ist an Bauch­spei­chel­drü­sen­krebs erkrankt. Die Techniker Kranken­kasse (TK) verwei­gerte der 44-Jährigen zunächst die Kosten­über­nahme für die ärztlich verordnete Immun­the­rapie (HNA berichtete). Dabei geht es um eine Summe von rund 100 000 Euro. Die Familie hat Geld zusam­men­gelegt, hat Kredite aufge­nommen, um die ersten Thera­pie­sit­zungen finan­zieren zu können, auf denen die Hoffnung auf Leben liegt.

Auf Nachfrage der HNA hat die TK einge­lenkt und um ein neues Gutachten beim Medizi­ni­schen Dienst gebeten. Das werde aber einige Zeit in Anspruch nehmen, teilte eine Sprecherin der TK auf HNA-Anfrage mit. Parallel dazu sei „aufgrund der Dring­lichkeit“ der Wider­spruch der Versi­cherten ausführlich geprüft und eine Einzel­fall­ent­scheidung getroffen worden. Die Kosten für die Immun­the­rapie werden „wie ärztlich empfohlen“ für zunächst zwölf Wochen übernommen.

Diese Nachricht hat Jaqueline Huseljic sehr erleichtert: Sie sagt: „Es gibt wieder Licht.“ Die erste Sitzung am Kasseler Marienkrankenhaus habe sie bereits überstanden und gut vertragen. „Ich war nur müde und schlapp.“ Von typischen Neben­wir­kungen wie Juckreiz und Durchfall habe sie noch nichts gespürt, aber von den Ärzten erfahren, dass diese erst bei der vierten oder fünften Sitzung auftauchen.

Ein Mal pro Woche muss sie nun zur Blutent­nahme, wobei kontrol­liert wird, ob Entzün­dungen an ihren Organen auftauchen.

Dr. Gero Moog ist der behan­delnde Arzt von Jaqueline Huseljic. Er sagt: „Bauch­spei­chel­drü­sen­krebs ist die aggres­sivste Tumorform, die wir kennen.“ 90 Prozent aller Patienten würden die Erkrankung nicht überleben, trotz OP und Chemo­the­rapie. „Bei Jaqueline Huseljic gibt es einen Glücksfall: Bei der moleku­lar­bio­lo­gi­schen Unter­su­chung des Tumors haben wir eine Mikro­sa­tel­li­ten­in­sta­bi­lität festge­stellt.“ Das sei eine Rarität, die Quote liege bei ein bis zwei Prozent aller Patienten mit Bauch­spei­chel­drü­sen­krebs. Die Mikro­in­sta­bi­lität sei die Voraus­setzung, dass eine Immun­the­rapie möglich sei.

Wie diese funktio­niert, erklärt der Mediziner so: Der Körper habe ein eigenes DNA-Repara­tur­system. „Das ist wie beim Textab­tippen, bei dem mal ein Fehler auftauchen kann. Schleichen sich immer mehr Flüch­tig­keits­fehler ein, kann das Folgen für den Text haben. Und bei der Zellteilung bedeutet das, dass so Tumore entstehen können.“ Diese bilden Antigene, und die Therapie mit dem Immun­the­ra­peu­tikum versetzt das Immun­system in die Lage, gegen diese Antigene mit Zellen und Antikörpern zu kämpfen. Dr. Moog räumt ein, dass es bislang „keine vernünf­tigen Studien“ für die Immun­the­rapie bei Bauch­spei­chel­drü­sen­krebs gebe. Der Grund: Die Entde­ckung der Mikro­in­sta­bi­lität sei noch relativ neu. „Bei Lungen­krebs ist das schon länger bekannt und war eine kleine Revolution.“

Wie geht es nach den vier Sitzungen weiter, die von der TK bezahlt werden? Dann wird bei Jaqueline Huseljic ein MRT gemacht, um zu sehen, ob der Tumor auf die Therapie reagiert, kündigt Dr. Moog an. Und dann werde neu entschieden.

Bei Jaqueline Huseljic wächst derweil die Hoffnung auf Heilung, auch weil sie die finan­zi­ellen Sorgen der Immun­the­rapie für die nächsten drei Monate nicht mehr quälen. Außerdem hat eine Freundin der Familie im Internet ein Spenden­konto über die Online-Plattform Gofundme einge­richtet. Dort waren bis gestern bereits rund 32 000 Euro an Spenden einge­gangen. 765 Menschen haben gespendet, damit Jaqueline Huseljic leben kann: Bekannte, Nachbarn, Arbeits­kol­legen und sehr viele unbekannte Menschen, die das Schicksal der dreifachen Mutter sehr berührt.

So sehr sich Jaqueline Huseljic darüber freut, so schwer­fällt es ihr auch, diese Form des Zuspruches anzunehmen. Jahrelang war die ausge­bildete Erzie­herin für alle anderen da, für die Familie und die Kinder in der Kita. Und dann kam der Krebs, als sie 43 Jahre alt war. Sie fühlt sich schwach und hilflos, gerührt und ein Stück weit überfordert. „Ich hätte gerne auf alles verzichtet“, sagt die bescheidene Frau mit leiser Stimme. Sie fühlt sich bei dem Gedanken nicht wohl, dass sie die Kosten für die Therapie nicht selbst tragen kann. Gleichwohl freue sie sich sehr, „dass wildfremde Menschen an uns denken, an mich und meine Familie.“


Kasse­lerin Jaqueline Huseljic hat Bauch­spei­chel­drü­sen­krebs und hofft auf Immuntherapie

HNA-Artikel, Samstag, 16. August 2024, Hessische Allge­meine (Kassel-Mitte) / Kassel, von Claudia Feser:

https://www.hna.de/kassel/sie-kaempfen-fuer-ihr-leben-93246462.html

Wer Jaqueline und ihren Mann Miralem Huseljic in der schwersten Zeit ihres Lebens sieht, weiß was Liebe ist. Jaqueline Huseljic ist an Bauch­spei­chel­drü­sen­krebs erkrankt. Sie kämpft für eine Therapie.

Kassel – Es ist eine Zeit des Auf und Ab, der Hoffnung und der Rückschläge. Der größte Rückschlag kam vor wenigen Tagen: Die Kranken­kasse verwehrt der 44-jährigen Jaqueline Huseljic die Behandlung mit einer Immun­the­rapie, weil sie die Kosten nicht übernehmen will. Dabei kann das Medikament das Leben der jungen Mutter retten, sagen die Ärzte. Und dann kam wieder ein Licht­blick. Aber der Reihe nach.

Alles fing im Mai vergan­genen Jahres an, als Erschöpfung der Erzie­herin zu schaffen machte. „Dabei ist meine Frau ein Energie­bündel“, sagt Miralem Huseljic, der als Physio­the­rapeut im Marienkrankenhaus arbeitet, „sie wollte es immer allen Recht machen, kümmert sich um alle und zu wenig um sich selbst.“ Burnout hieß es zunächst. Aber was war mit den starken Rücken­schmerzen, dem Bauchweh, der Übelkeit? Der erste Orthopäde riet zu Rücken­schule. Ein anderer ordnete ein CT an, wo ein auffäl­liger Befund festge­stellt wurde. Eine Biopsie im Oktober brachte Gewissheit: Bauchspeicheldrüsenkrebs.

Kasse­lerin hat Bauch­spei­chel­drü­sen­krebs und hofft auf Immuntherapie

Wenige Tage später begann die Chemo­the­rapie mit Folfirinox, einem Medikament mit starken Neben­wir­kungen, aber guten Chancen. Bei zwei ambulanten Behand­lungen kolla­bierte Jaqueline Huseljic, fortan musste sie jedes Mal zur statio­nären Behandlung. Die dreifache Mutter kämpfte sich durch die Neben­wir­kungen: Juckreiz, Gelenk­schmerzen, Erschöpfung, Erbrechen, Herzrasen, Schweiß­aus­brüche, Haarausfall. „Ich nehme alles in Kauf, aber es ist nicht einfach“, sagt sie leise. Die zierliche Frau sitzt am Küchen­tisch, greift zunächst die Hand ihres Mannes und schlägt dann ihre Hände vors Gesicht. „Ich hatte so schöne lange Haare und sah lebendig aus.“

Die körper­lichen Verän­de­rungen machen ihr sehr zu schaffen. Sie schämt sich und geht kaum noch zum Einkaufen. „Du bist die schönste Frau der Welt für mich“, sagt ihr Ehemann mit Strahlen, Stolz und Tränen in den Augen. Er ist immer an ihrer Seite. Sie weinen und lachen zusammen. „Und wir lachen sehr viel zusammen“, sagt Jaqueline Huseljic, die beim Strahlen aufblüht. Sie geben sich gegen­seitig Halt, und so können sie ihre drei Kinder – 22, 18 und zwölf Jahre alt – durch die auch für sie so schwere Zeit begleiten.

Die Krankheit hat die Fünf als Team noch stärker gemacht. Früher waren herum­lie­gende Schuhe, unauf­ge­räumte Zimmer, eine nicht ausge­räumte Spülma­schine Thema – „das ist alles gar nicht wichtig“, sagt Miralem Huseljic, „unser Leben ist durch die Krankheit viel inten­siver geworden, man schätzt jeden Moment.“

Spenden­aktion für Kasse­lerin gestartet

Bei einer neunstün­digen Operation im März wurden neben der Bauch­spei­chel­drüse drei Viertel des Magens, die Milz, die Galle, die Gallen­blase, die Leber­ar­terie und ein Großteil des Zwölf­fin­ger­darms entfernt. Seit dem hat Jaqueline Huseljic Diabetes.

Schließlich stellte sich heraus, dass ihr Tumor eine Mikro­in­sta­bi­lität hat, weshalb eine Immun­the­rapie erfolg­reich sein kann, hat der behan­delnde Arzt dem Ehepaar erklärt. Auf Empfehlung des Arztes wurde ein Antrag auf Immun­the­rapie-Behandlung bei der Techniker-Kranken­kasse (TK) gestellt.

Diesen hat die TK nach Begut­achtung der einge­reichten Unter­lagen durch den Medizi­ni­schen Dienst (MD) abgelehnt. Begründung: „Dieses Medikament ist nicht für die Behandlung Ihrer Erkrankung zugelassen.“ Laut Entscheidung des Bundes­so­zi­al­ge­richts gebe es eine solche Behandlung nur auf Rezept, wenn unter anderem „eine schwer­wie­gende Erkrankung, die die Lebens­qua­lität auf Dauer nachhaltig beein­trächtigt“ bestehe und es keine andere Therapie gebe, die die gesetz­lichen Kranken­kassen bezahlen könnten.

Letzteres zielt auf eine weitere Chemo­the­rapie ab. Aber Miralem Huseljic sagt: „Eine weitere Chemo­the­rapie kann der Körper meiner Frau zurzeit nicht verkraften.“ Seit der ersten Chemo­the­rapie hat sie 24 Kilogramm verloren und wiegt jetzt noch 46 Kilogramm. Seit einigen Tagen wird sie künstlich ernährt, morgens und abends, weil ihr Körper nicht die Nahrungs­menge aufnehmen kann, die an Energie benötigt wird.

Das Ehepaar hat Wider­spruch gegen die Absage der Kosten­über­nahme eingelegt. Außerdem haben die Huseljics entschieden, dass die Behandlung in der kommenden Woche dennoch starten soll, damit nicht weiter wertvolle Zeit verstreicht. Hierfür hat die gesamte Familie Geld zusam­men­gelegt, hat teilweise Kredite aufge­nommen, eine Spenden­aktion über die Online-Plattform Gofundme gestartet. Alles, damit Jaqueline Huseljic wieder gesund werden kann.

Jaqueline Huseljic kämpft nun weiter gegen den Krebs und die Sorgen und hat Kontakt mit der HNA aufge­nommen. Auf Nachfrage unserer Zeitung bei der TK gibt es einen Licht­blick: Die Kranken­kasse räumt ein, dass der MD in seinem Gutachten auf den lebens­be­droh­lichen Zustand der Patientin „leider tatsächlich nicht einge­gangen“ sei. Auch deshalb werde sie TK ein zweites Gutachten per Eilauftrag beim MD anfordern. „Uns ist die ganz schwierige Situation unserer Versi­cherten sehr bewusst.“

Das lässt Jaqueline Huseljic wieder hoffen. Früher habe sie gedacht, dass sie mit Mitte 40 anfängt zu leben, sobald die Kinder soweit groß sind. „Ich habe niemals damit gerechnet, dass ich dann Krebs habe.“ Manchmal fühle sie sich wie in einem schlechten Traum. „Ich will aufwachen und mein Leben wieder haben. Aber dann sehe ich mich im Spiegel und sehe, dass das die Realität ist.“


Foto Beitrag: von Claudia Feser, HNA