Recycling klima­schäd­licher Narkosegase

Foto_Filterung_der_Narkosegase__Dr._Matthias_Goeddecke

Im Marienkrankenhaus Kassel kommt erstmals in Hessen ein System zum Einsatz, das klima- und ozonschä­di­gende Narko­segase filtert und recycelt, um die Umwelt zu schonen. 

Kassel, 6. Januar 2020: Umwelt­ver­schmutzung ist ein Thema, das jeden angeht: auch Kliniken. So stellen Narko­segase eine erheb­liche Gefährdung für die Umwelt dar. Dabei handelt es sich um Fluor­chlor­koh­len­was­ser­stoffe (FCKW) bzw. Flurkoh­len­was­ser­stoffe (FKW) und somit um klima­schä­di­gende Treib­hausgase. Weltweit wird, laut einer Studie des Umwelt­che­mikers Ole John Nielsen, der Verbrauch von Narko­se­gasen auf mehr als 4.500 Tonnen geschätzt. Das entspricht dem CO²-Wert, den ein Kohle­kraftwerk pro Jahr freisetzt.

Neben den negativen Umwelt­ein­flüssen wären Narko­segase in der Raumluft eines Kranken­hauses auf Dauer auch für die Gesundheit des Klinik­per­sonals schädlich, würden diese einfach im OP freige­setzt. Daher wird das Narko­segas direkt am Narko­se­gerät abgesaugt und in die Außenluft abgeleitet. Für das Krankenhaus wird so eine Erleich­terung erreicht, die umwelt­schäd­lichen Anästhetika gelangen aber weiterhin zu etwa 95 Prozent in die Atmosphäre, wo sie sich viele Jahre halten und sogar die Ozonschicht schädigen.

Im Marienkrankenhaus Kassel kommt jetzt in Hessen erstmalig ein neues System zum Einsatz, bei dem Narko­segase mit Hilfe eines Filters nicht nur gesammelt werden, wie bereits seit zehn Jahren üblich, sondern anschließend zur Wieder­ver­wendung aufbe­reitet werden. Zudem gelangen die Gase nicht mehr in die Atmosphäre und auch das in den Filtern einge­setzte Granulat aus Aktiv­kohle wird recycelt. All dies geschieht selbst­ver­ständlich unter strengsten hygie­ni­schen Bedin­gungen und klini­scher Quali­täts­kon­trolle. Es handelt sich um ein gesetzlich zugelas­senes Pilot­projekt, das von der in der Nähe von Berlin ansäs­sigen Firma ZeoSys Medical GmbH betrieben wird.

Wie das Ganze funktio­niert: Ein Großteil der bei einer OP einge­setzten Narko­segase werden vom Patienten wieder ausge­atmet. Da die Gase vom Körper fast nicht verstoff­wechselt werden, enthält die Ausatemluft weiterhin unver­än­dertes Narko­segas. Dieses wird nun im Marienkrankenhaus Kassel mit einem System der Firma der ZeoSys Medical GmbH mittels eines Filters, der mit Granulat aus Aktiv­kohle gefüllt ist, gesammelt.

Anschließend werden die Restgas­filter entspre­chend strengsten Arznei­mit­tel­vor­schriften in Druck­be­hältern durch Einsatz von Wasser­dampf bei hoher Tempe­ratur erhitzt. Dadurch wird nicht nur der Inhalt des Filters klinisch steri­li­siert, sondern im Anschluss auch das Narko­segas freige­setzt. Dieses wird anschließend vom Wasser­dampf getrennt und zur Wieder­ver­wendung gewonnen. „Somit werden aus der gesam­melten Ausatemluft ca. 80 Prozent reine Narko­segase wie Desfluran, Isofluran oder Sevofluran gewonnen, die überall wieder zum Einsatz kommen können. Außerdem gelangt kaum noch Narko­segas mehr in die Atmosphäre“, erklärt Sebastian Ewers, Geschäfts­führer der ZeoSys Medical GmbH.

„Hierdurch wird die Umwelt nachhaltig geschont und es werden Kosten reduziert“, betont Dr. Matthias Göddecke, Chefarzt der Anästhesie im Marienkrankenhaus Kassel (Foto). Denn gängige Absaug­an­lagen, die in Kliniken genutzt werden, verur­sachen hohe Betriebs- und Wartungs­kosten und werden zudem mit sehr teurer medizi­ni­scher Druckluft betrieben. Auch dies wieder mit schäd­lichen Auswir­kungen für die Umwelt.

„Der Anteil der Narko­segase an der Klima­zer­störung wird derzeit mit einem Wert von bis zu einem Prozent beziffert. Er wird angesichts der verbes­serten medizi­ni­schen Versorgung weltweit sicher noch steigen. Es ist daher wichtig, etwas zu tun. Damit fangen wir jetzt an“, sagt Michael Schmidt, Geschäfts­führer des Marien­kran­ken­hauses Kassel.