Die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland sind aktuell mit großen politischen Fragen konfrontiert. Krieg in Europa – Migration nach Deutschland – Fachkräftemangel – Energie- und Wirtschaftspolitik – Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Wirtschaft – Kaufkraft der Haushalte - Wohnungsnot – um nur einige zu nennen. Wer hat da noch Kapazitäten, sich mit Gesundheitspolitik und dem Krankenhauswesen zu beschäftigen?
Klar, werden wir ab und zu mit dem Thema konfrontiert. Der Hausarzt hat wenig Zeit, aber er hilft meist kurzfristig. An monatelange Wartezeiten für einen Facharzttermin haben wir uns gewöhnt. Zu Not gehen wir eben direkt ins Krankenhaus. Wenn wir gesund sind, haben wir ehrlicherweise nicht wirklich Lust, uns mit dem Gesundheitssystem zu beschäftigen. Wenn wir ein wenig ins Detail gehen, verstehen wir ohnehin nichts mehr. Was inhaltlich erreicht werden sollte und was der bürokratische Umgang mit einem Thema tatsächlich schafft, ist oft nicht mehr auseinanderzuhalten. Soweit unsere Eigenverantwortung. Wenn die Orientierungslosigkeit auch für deutsche Parlamentarier gilt, die aktuell über die größte Krankenhausreform der Nachkriegsgeschichte beraten und nach Wunsch des Gesundheitsministers möglichst schnell entscheiden sollen, wird es gefährlich.
Es ist aktuell im Gesundheitsministerium nicht üblich, Folgeabschätzungen der eigenen Gesetzesentwürfe vorzunehmen. Die Ziele wie hohe Qualität, flächendeckende Versorgung, sinnvolle Ambulantisierung, Abbau überflüssiger Kapazitäten und damit auch mehr Effizienz in der Leistungserbringung von Krankenhäusern werden in jeder verfügbaren Talkshow vorgetragen. Wer kann da schon widersprechen? Bei den Zielen ist schnell ein breiter Konsens herzustellen. Leider ist keines der gewählten Instrumente geeignet, um auch nur ein einziges Ziel mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erreichen. Was soll‘s – dann bessern wir eben nach, heißt es dann, wie kürzlich beim peinlichen Auftritt des Klinik-Atlasses. Wenn allerdings Krankenhäuser insolvent sind, aus strukturellen Gründen geschlossen wurden oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Bürokratie-Irrsinn verzweifelt und in andere Branchen geflüchtet sind, wird niemand nachbessern – schon gar nicht der Bundesgesundheitsminister.
Dipl. Ges.-Ök.
Michael Schmidt
Geschäftsführer Marienkrankenhaus Kassel gGmbH
Vorwort im Heft Mein Kassel: Nordhessen Gesund, Juli 2024
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