Kasseler Chefärzte erklären, warum Spezialisierungen im Operationssaal Leben retten
Freitag, 07.Februar 2025, Hessische Allgemeine (Kassel-Mitte) / Kassel
VON: MAIKE LORENZ
Kassel – Dr. Eduardo Lauinger steht in einem der Operationssäle des Marienkrankenhauses. Von der Decke hängt eine große OP-Leuchte, neben ihm steht eine sogenannte Laparoskopie-Einheit. Auf deren Bildschirm wird ihm bei Operationen in bis zu 100-facher Größe angezeigt, was eine Sonde im Körper filmt. Um die Aufnahme dreidimensional zu sehen, muss er ähnlich wie im Kino eine schwarze Brille aufsetzen.
Unter anderem mit dieser 3D-Technik sind laut Eduardo Lauinger am Marienkrankenhaus im vergangenen Jahr mehr als 150 große Darmoperationen durchgeführt worden. Auf den Fachbereich der Koloproktologie – also Behandlungen des Dickdarms und Enddarms – hat sich das Krankenhaus spezialisiert. Im vergangenen Juli ist für die Koloproktologie am Marienkrankenhaus deshalb auch eine neue Abteilung mit Chefarztstelle geschaffen worden, die Eduardo Lauinger seitdem besetzt.
Ziel sei es, dadurch die Spezialisierung des Krankenhauses für den Fachbereich Koloproktologie weiter voranzutreiben, sagt Dr. Johannes Heimbucher, Chefarzt der Chirurgischen Klinik. Er ist großer Befürworter von Spezialisierungen an Krankenhäusern.

Die Faktenlage sei klar, sagt Heimbucher. Eine Operation in einer Klinik, die diesen Eingriff regelmäßig durchführe, sei im Durchschnitt erfolgreicher als in einer Klinik, die nur wenig Erfahrung mit der Operation habe. Das zeige zum Beispiel eine Studie mit Daten aus den Jahren 2009 bis 2014. An Krankenhäusern, die nur sehr wenige Tumoroperationen am Dickdarm durchführten, seien damals etwas mehr als sieben Prozent der Operationen tödlich verlaufen. An Krankenhäusern, die dagegen sehr viele dieser Tumoroperationen durchführten, habe die Quote von Todesfällen innerhalb von 30 Tagen nach der Operation unter fünf Prozent gelegen. Für Heimbucher steht deshalb fest, dass Spezialisierungen von Krankenhäusern Leben retten können.
Abgesehen davon, ob ein Patient eine Operation überlebt, müsse sich der Erfolg des Eingriffs auch daran messen lassen, inwiefern es andere Komplikationen gibt, sagt Heimbucher. Aus seiner Sicht liegt auf der Hand, dass eine Spezialisierung von Krankenhäusern auch in Bezug auf dieses Qualitätskriterium nur förderlich sein kann.
Beim Operieren sei es ähnlich wie beim Musizieren: „Berühmte Musiker in einem Orchester müssen jeden Tag üben. Wenn sie das nicht machen, werden sie um Nuancen schlechter.“ Nuancen, die im OP-Saal schnell zu Komplikationen führen können.
Eduardo Lauinger stimmt zu. Eine Operation regelmäßig durchzuführen, gebe viel Sicherheit. „Man ist mehr im Rhythmus.“ Und auch darüber hinaus sei Erfahrung sehr wertvoll. Die Entscheidung, ob das Risiko einer Operation eingegangen werden soll oder nicht, sei nicht immer leicht. Hinzu käme: „Der Zeitpunkt, zu dem bei einem Patienten mit chronisch entzündlicher Darmerkrankung ein Chirurg gefragt ist, ist für jeden Patienten individuell.“ Mit viel Erfahrung treffe man bessere Entscheidungen.
Lauinger sagt, die Spezialisierung erleichtere auch den fachlichen Austausch. Regelmäßig treffe er sich mit anderen Spezialisten oder behandelnden Ärzten von Patienten zu Konferenzen. „Wir operieren nicht einfach los, sondern wir schmieden zusammen eine Strategie.“
In den USA sei schon lange völlig selbstverständlich, dass eine geplante Dickdarmoperation in einer Abteilung stattfindet, die ausschließlich koloproktologische Operationen durchführe, sagt Johannes Heimbucher. Auch wenn das in Deutschland noch anders ist, sei mittlerweile auch hier zu beobachten, dass – vorangetrieben auch durch die geplante Krankenhausreform – es immer mehr Konzentrationen in der Koloproktologie gebe.
Vorteile biete das nicht nur im Hinblick auf die erfolgreiche Durchführung von Operationen, sondern auch im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen und die ökonomische Bilanz. „Es sichert glatte Prozesse und es muss nicht jeden Tag alles neu erfunden werden.“